Und täglich grüßt die Ananas – danke Kolumbien
Es ist 7.30 Uhr morgens – sowieso ganz meine Zeit – und man hat uns quasi umzingelt: ein Polizist, ein Nationalparkverantwortlicher, eine Chica von der Stadtverwaltung und noch jemand. Da stehen wir nun mit unseren schweren Rucksäcken, bepackt für fünf bis sechs Bergtage und sind so froh, dass es endlich los gehen kann… Wir ziehen alle Register: zeigen Ausrüstung, demonstrieren unsere Offlinekarten, welche hunderte Referenzpunkte der Tour enthalten(damit überfordern wir sie eindeutig), rattern die Namen der erlaubten Übernachtungsplätze runter und und und…. Nein! Das ist verboten weil zu gefährlich und überhaupt ist vor Weihnachten jemand gestorben… Die Gang filmt sich beim Durchgreifen und fotografiert unsere Pässe. Hier geht’s definitiv erstmal nicht weiter. Wir kennen Kolumbien zu wenig, um den Ernst (oder Unernst) der Lage wirklich zu durchschauen. Scheiße! Wir sind völlig deprimiert! Der Autor unseres Treckingführers hatte uns vor solchen Reden und Einwänden gewarnt und uns präpariert. Aber heute und hier geht einfach nix! Um mich jetzt wieder aus dem Loch zu beamen, brauch ich nicht nur ein paar Minuten! Mal sehen, wer von uns beiden als erstes wieder Frau Motivation trifft?!? Man kann ja nicht wirklich schon früh um acht mit Aquardiente starten…
Tatsächlich waren die Berge einer der Hauptgründe, nach Kolumbien zu kommen. Dort ist Trockenzeit. Wir wollten eine Bergtour ohne Dauerregen, weggeschwemmte Brücken und Gipfel, die man wegen der Wolken nie sieht. Schlußendlich haben wir trotzdem eine Viertagestour gemacht mit ordentlich Höhenmetern, halt mit Guide und Übernachtung in sogenannten Finkas und Vollverpflegung. Es gab herrlich herzliche Momente in den urigen verrauchten Küchen. Wo auf einem Holzofen schon mal für 50 Leute und mehr gekocht wird. Tollende Hunde, gackernde Hühner, Gauchos auf zähen Pferden, quäkende Mulis, blökende Schafe und Kühe bilden erstmal eine interessante Wohngemeinschafft. Zähneputzen inmitten von 14 Kälbchen, die aufgeregt nach ihren Müttern rufen hat schon was! :O)) Aber so eine Übernachtung auf der Finka muss man mögen! Spätestens, wenn man sein „Bett“ zugewiesen bekommt, ist man überrascht: Bretterverschlag ohne Fenster mit Minimum 8 Schlafplätzen in Doppelbettstockbetten auf 3x4 Metern. Von diesen „Hühnerställen“ sind dann mehrere aneinander gereiht unterm Wellblechdach. Manchmal ist Plastikfolie innen an die Bretter genagelt, dann ziehts nicht so und es wird bunt. Zum Glück ist Nebensaison!
Trotzdem wars an manchen Finkas echt cool. Und trotzdem weiß ich mein kleines Zelt im Nirgendwo mit fauchendem Kocher daneben und wir davor einen Tee mit Rum in der dampfenden Tasse mit Blick auf die einsamen Gipfel noch mehr zu schätzen. Aber unser Guide Jezide (ehemaliger Militär)war okay. Die Orientierung im Paramo ist wirklich nicht so leicht bei unsichtigem Wetter. Je länger wir unterwegs waren, umso mehr wurde allerdings klar, dass wir einfach nur Pech hatten. Unser Guide hat es bestätigt. Der Auflauf war großes Kino: „Wir tun was für die Sicherheit!“ Schon am Folgetag hätten wir einfach durchspazieren können. Jezide und seine Kollegen haben uns auch erzählt, dass durchweg alle bisher im Park tödlich Verunglückten Kolumbianer waren. Da haben wir noch mehr auf ihn aufgepasst! ;O))
Zurück aus dem PN los Nevados und dem Kaffee-Dreieck haben wir direkt wieder in unserer Superbude in Medellín Halt gemacht. Frühmorgens echten kolumbianischen Hochlandkaffee in der Hängematte, jeden Mittag ne Ananas und dann durch die Straßenstände futtern oder in den Miniläden im Viertel was zum Kochen kaufen und mit den Leuten schwatzen fetzt übelst.
Ja, wir haben uns bissl in Medellín verschossen! Wobei uns neben dem ganzen Schönen trotzdem auch die erschreckende Geschichte der Stadt, des Landes nie loslässt. Weil sie all gegenwärtig ist. In der Seilbahn bei der Free-walking-Tour erzählt der Guide, was für in als Junge normal war: Schüsse auf der Straße? Unters Sofa verkriechen und den Fernseher lauter drehen! Nach dem Besuch im Museo de la Memoria, braucht man eine Weile, ehe man wieder umschalten kann. Aber dann steht man auf der Straße. Salza dröhnt aus dem Fenster(Musik ist immer irgendwo), die Leute wippen mit, schwingen die Hüften und man ist mittendrin im Leben. Es muss immer weiter gehen dieses Leben! Egal, was war oder ist!
Den letzten Tag verbringen wir nochmal in eben jenem ehemals schlimmsten Teil der Comuna 13, welcher heute DIE Touristenattraktion für In- und Ausländer ist. Nein, es ist nicht alles gut hier! Aber alles ist um so vieles besser geworden! Ja, es fehlt immer noch ein Großteil des Landes im Reiseführer! Aber alle Gegenden, die Reisende willkommen heißen, sind wirklich sicher. Neben den vielfältigen Landschaften haben vor allem die Menschen unser Herz erobert. Wir kommen wieder! Wer darüber nachdenkt, mit Kindern hierher zu reisen… Kolumbianer lieben Kinder: „Egal ob reich oder arm, jeder will den Zwergen jeden Tag das Gefühl geben, Riesen in ihren Herzen zu sein!
Was für ein Satz! In diesem Sinne – Adios, nos vemos en Bolivia!