Adios Schneemann oder der lange Weg nach Bolivien

Wobei die weißen Zipfelmützen der Anden uns heute Morgen zum Sonnenaufgang standesgemäß begrüßt haben auf der letzten, wieder entspannten, Etappe nach La Paz.

 

Mit Mama Sohr zum Bahnhof nach Chemnitz, mit Oschi, Rick und einem standesgemäßen Eierlikör zum richtigen Bahnsteig in Leipzig und schließlich mit Käte zum richtigen Haus in Falkensee – erste Etappe geschafft. Dabei Ikea immer noch röchelnd und bellend, weil sie beim Winterzelten mit offenem Mund geschnarcht hat.

 

In Madrid quälen wir uns etwas durch die 6 Stunden Zwischenaufenthalt um uns endlich um 20.30 Uhr ins Abenteuer zu stürzen, besser zu fliegen. Wir fliegen nämlich zum ersten Mal mit der staatlichen Bolivianischen Airline über den großen Teich. Ich glaube, die machen das auch erst seit 2018, denn vor Jahren hatte man ihnen die Lizenz mal entzogen…. Beim Betreten des Fliegers erinnere ich mich jedenfalls sofort an die Diskussion mit Torte beim Flug buchen – mit den Bolivianern wollte er auf keinen Fall fliegen – damals. Die Maschine ist definitiv aus dem Flugzeug A&V. Wir hatten uns schon gewundert, dass wir einen Gang- und einen Fensterplatz haben und angeblich trotzdem direkt nebeneinandersitzen sollen. Aber die Maschine ist tatsächlich so klein! Dafür ist die Beinfreiheit kolossal - bei 12 Stunden Flug sehr wichtig – Ikea freut sich! Aber irgendwas fehlt an den Sitzen – genau, der Bildschirm, die Eventmaschine – auch wichtig bei 12 Stunden! Einige unserer Nachbarn suchen sie sogar vergeblich in und hinter den Klapptischen. Wir feixen. Im Gang hängen an der Decke ein paar Röhrenbildschirme. 90% der Passagiere sind Bolivianer mit Kind und Kegel. Dazwischen wuselt ein aufgescheuchter Hühnerhaufen von Mini- Stewardessen. Mindestens doppelt soviel wie bei American Airlines! Sind ja auch nur halb so groß und viel hübscher – sorry! Es beginnt ein sagenhaftes Gepäck Tetris, ein raus und rein und rüber und nüber. Dann gibt’s Sitzplatzkarussel. Natürlich sind irgendwie auch Sitze doppelt belegt aber andere Reihen auch leer. Schließlich erhält die Oberstewardess die Meldung: Alle Passagiere an Bord. Sofort werden nochmal Familien umgesiedelt – wenn sie das wollen. Wer lieber zu dritt auf zwei Sitzen ausharren will (und ich rede nicht von Säuglingen!) darf das auch – muss er die Kinder eben gut festhalten in der Mitte. Es gübe sicherlich zur Not auch Stehplätze beim Start. Natürlich muss dabei auch das Gepäck nochmal rumsortiert werden und natürlich kommen doch noch Passagiere und wollen prompt auf ihre Plätze…. Ein bissl erinnert das Ganze an einen Überlandknatterbus in Bolivien. Wir hoffen nur, dass nicht einige dann eher aussteigen wollen, weil sie schon vor dem Flughafen wohnen. Wie beim Bus halt… Draußen werden derweil die Gepäckklappen gerade mit dem Hammer verschlossen – irgendein Hebel klemmt.

 

Während ich mich amüsiere ist Torte schon ordentlich panisch und versorgt mich mit Neuigkeiten. Immerhin hat er erfolgreich eine komplette Dreierreihe hinten für sich alleine okkupiert und verteidigt. Aber er würde am liebsten aussteigen. Auf dem Klo gibt’s ja noch nicht mal Wasser, kein Fernsehen, man versteht keine einzige der Durchsagen, weil die Lautsprecher ab Reihe 10 abkacken und überhaupt!!!! Zudem hat er auch noch sofort die Bewertungen der Airline gegogglt – das Ergebnis hat ihn irgendwie nicht beruhigt… „die Schlimmste der schlimmen Airlines“ oder „Worst custumer Service in 27 years of flying!“

 

Zudem hat er noch rausgefunden, dass Maschinen dieses Typs seit 19 Jahren nicht mehr gebaut werden und unsere wohl 1984 ihren Dienst angetreten hat. Warum will man sowas vor dem Start unbedingt wissen!!!!

Nun beginnt der Hühnerhaufen mit der Notfallshow. Von den Durchsagen verstehen wir eh nix mehr, also genießen wir die reine Pantomime Performance. Eine der Senoritas verfitzt sich ständig mit ihren Armen, die andere in der Schwimmweste und eine muss immer wieder wutschnaubend Gepäckklappen renitenter Passagiere schließen (danach fährt sie sich immer lustig mit der Handkante über die Gurgel) – wir rollen wohlbemerkt schon – vielleicht bleiben wir besser dabei?!?!

 

Ich mach’s mir auf meinen 2 Sitzen gemütlich. Die Toiletten haben sehr wohl Wasser und Getränke gibt’s auch so viel man will. Vino Blanco gemischt mit Reizhustentropfen führt mich gemächlich ins Reich der Träume. Irgendwann weiß ich, wenn ich den süßen kleinen Zwei-Zentner Alexandro zwei Reihen weiter noch einmal nerven höre, passiert was Schlimmes – also stöpsel ich lieber die Ohren zu und bin wieder weg. Ja, es wackelt zwischendurch auch mal doller, aber ich bin ja angeschnallt und viiiiel zu müde. Torte weckt mich, als es Kaffee gibt und irgendwie irritiert mich seine Totenkopfmine. Waren wir auf dem gleichen Flug? Nicht nur die Mängelliste ist länger geworden. Wir hatten fast 5 Stunden durchgehend Turbulenzen und auch mal so stark, dass hinten die Schubladen aufkrachten und die Servierwagen gegen die Wände knallten. Da hat wohl auch der Hühnerhaufen gegrietscht. Mitreisende bestätigen das auch!? Wahrscheinlich wird’s tatsächlich nie wieder BoA- Airline

Egal, wir landen lebend in Santa Cruz – hallo Bolivien! Auf dem Weiterflug geht die Sonne über einem sensationellen Bergpanorama auf. Leider liegen das Tiefland und später auch der Kessel von La paz unter den Wolken. Später wird der Himmel blau und die Luft zumindest tagsüber warm sein. In 2 Tagen geht es weiter nach Uyuni zum Tunupa-Vulcan. Vorher werde ich nochmal den Versuch starten, die bereits frankierten 50 Postkarten an Euch vom letzten Jahr irgendwo abzuschicken. Vielleicht hat Bolivien ja inzwischen doch wieder eine Post … Vamos a ver!

Der Sonne hinter her...dann harte Realität in Bolivien

Eine weise Entscheidung – denn dann geht ne ganze Menge! Nun stehen wir hier. Unser Zelt ist ein winziger grüner Punkt in der Unendlichkeit des Salar de Uyuni. Salz bis zum Horizont in Richtung Vollmond, der sich groß und gelb über das „Ende der Scheibe“ schiebt. Im Norden zucken Blitze über der Silhouette des Vulkan Tunupa. Im Rücken schützt uns die Insel Incahausi gegen den Wind in einem Meer aus Salzkristallen. Wir sitzen unter riesigen Kakteen und schlürfen verzückt unseren Tee mit Rum Ersatz. Tradition muss sein! Dabei war das – wie die meisten unserer Schlafplätze – eine spontane Idee, immerhin eine freiwillige. Die Salzkristalle knacken unter den Füßen, als wir zum Zelt moschen und in die Schlafsäcke kriechen. 0.30 Uhr zieht der Wind an und wir spannen lieber noch die Sturmleinen. Draußen ist es fast taghell, als wir die Heringe ins salz treiben. Es gibt sie wirklich, die Landschaften, die im Mondlicht silbern glänzen … dabei sollte alles ganz anders laufen.

Frühmorgens um 6.00Uhr stehen wir in Uyuni (3600m). Genau meine Zeit. Aber die „Arktis“ Boliviens begrüßt uns mit einem derartig grellen Sonnenschein, dass wir nicht meckern wollen. Immerhin sind wir wegen der Wetterprognose hier gelandet. Also auf zu neuen Taten. Wir wollen mit einem Bus/Fahrzeug/ LKW, irgendwie halt nach Colquesa am Fuße des Vulkan Tunupa. Denn auf den wollen wir hoch. Er liegt in 80km Entfernung diagonal über die Salzwüste. In guter südamerikanischer Tradition fragen wir mindestens an drei Stellen, bzw. so lange bis wir unter zig blinden Hühnern mit gefährlichem Halbwissen wenigstens drei wissende aufgespürt haben. Das Ergebnis ist ernüchternd – keiner fährt, der Salar steht wegen der starken Regenfälle in den letzten Tagen unter Wasser, vielleicht in einer Woche…. Och menno, bestes Wetter und trotzdem geht nix? Wir sind genervt und die Sonne weicht uns das Hirn auf. Unterkunft suchen, Pause! Plan B lautet, wir suchen in einer der Millionen Agenturen einen Auskenner mit Auto oder eben einen der so wirkt. Nun läuft der Tourismus in Uyuni nach Schema F ab und in den Agenturen sitzen „No hay“ und „No conosco“ oder „talvez mas tarde“ (heißt auch ich nix weiß). Am späten Nachmittag, auf der Suche nach Essbarem, laufen wir Mikol in die Arme. Er schleppt uns in seine EIGENE Agentur und weiß sofort, wovon wir reden. Schon mal nicht schlecht! Jetzt müssen wir nur noch verhandeln. Er hat ein Auto, er kennt den Vulkan Tunupa. Er gibt sofort zu, dass er auf dem Vulkan Ollagüe auch noch nicht war. Passt - wir waren auch noch nicht dort, wollen aber unbedingt hin. Wir kürzen noch Köchin, Extrafahrer, feste Unterkünfte und Essen weg und einigen uns auf einen Preis. Statt alleine und spottbillig mit den ÖVPN sind wir nun zwar doch mit einem bezahlten Begleiter unterwegs – aber wir kaufen ein und kochen gemeinsam und er kennt auch nur die Hälfte der Strecke und Gipfel. Vamonos!

Am nächsten Morgen bin ich nicht recht bei mir. Das Zimmer hatte keine Fenster. Ich belle mir die Seele aus dem Leib. Trockene Höhenluft – aber schon wieder gleißende Sonne. Vorpacken, Frühstück auf dem Markt, Einkaufen, Sachen holen, losfahren. Wir sind gespannt – die anderen Agenturen fahren derzeit nicht über den Salzsee (der ist ja überschwemmt) - wir schon. Bis zu den „Ojos del Salar“ trauen sich noch ein paar Tour Jeeps. Das sind quasi Löcher in der Salzschicht, wo Wasser nach oben blubbert. Andere Highlights einer Dreitagestour wie Salzhotel und Isla Incahausi werden weggelassen, der Salar wird umfahren. Mikol aber fährt weiter hinein ins Wasser. Wir peilen genau den Vulkankegel an. Langsam durchpflügen wir das vielleicht 10 -20cm tiefe Nass, damit das Salzwasser nicht zu hoch spritzt. Für die Fahrzeuge ist die Salzbrühe ätzend, deshalb umfahren die anderen Agenturen den See. Um es mal deutlich zu sagen: Es ist übelst irre. Wir sind ganz allein in einer unendlichen Wasserfläche, die wie ein riesiger Spiegel wirkt. Es ist so unwirklich. Oben, unten, überall, alles. Der Vulkan Tunupa wächst vor unseren Augen. Sein Kraterrand leuchtet in allen möglichen Farben vor einem blauen Himmel mit weißen Wolkenschafen. Am Ende steht die Salzfläche aber weit weniger unter Wasser wie vermutet. Zum Glück haben wir uns nicht beirren lassen. Am Nachmittag erreichen wir das Seeufer mit saftig grünen Weiden, Lamas im Wiegetritt mit vielen Minilamas und einem hübsch zurecht gemachten „Arsch der Welt“. In Colquesa gibt es wirklich nichts, im Moment keine Menschenseele und schon gar keine Mitfahrgelegenheiten. Aber die Mini Plaza und das steinerne Kirchlein sehen schmuck aus. Ist halt keine Saison. Wir schlagen unser Zelt auf rund 4000m Höhe und staunen. Mit jedem Meter wird die Aussicht auf den Salar verrückter. Es ist auch nicht kalt. Jetzt noch Abendlicht und Abendrot. Alles richtig gemacht – zumal sich Mikol für „Reis mit Scheiß“ begeistert! Selbst wenn der Tunupa morgen für uns zu hoch ist….

Aufwachen mit Kaiserwetter, Morgenkaffe mit unbezahlbarer Aussicht und Schockstarre. Das Zelt lassen wir stehen, aber Torte will unsere Wertsachen mitnehmen und fragt nach meiner Bauchbinde. Ich erstarre zur Salzsäule. Ich brauch auch gar nicht suchen, bin mir ziemlich sicher, wo das Ding liegt. Ich steck das immer in den Kopfkissenbezug in JEDER Unterkunft. Jetzt wird bestimmt jemand grinsen, der mal mit dem Moped durch eine asiatische Großstadt düste wegen eben solcher Sache ;o))). Zum Glück gibt es sporadisch Handyempfang im Hochland. Mikol schickt seine Frau los. Soll ich jetzt nun auf die gründliche und ehrliche Zimmerfrau oder auf eine schludrige Reinigung und einen ehrlichen Tourist hoffen. Ich glaube eher an die Zimmerfrau und bin ehrlich gesagt optimistisch – weiß auch nicht warum. Auf geht’s, der Kraterrand wartet. Knapp über 5200m liegt unser Zeil hoch. Macht 1200 Höhenmeter. Bis 4800m zum Sattel geht’s gut. Vielleicht etwas zu schnell. Torte quält sich mit Bauchschmerzen. Unterwegs habe ich Mikol freudig aus den Angeln gehoben. Mein Zeug liegt im „cactus hostel“ und ich bin eine glückliche Idiotin! Jetzt ragen vor uns die knallbunten, übelstig steilen Schuttrutschen des Kraters auf…. Und die Beschreibung hält zumindest in der Beziehung, was sie verspricht. Es ist einfach nur ekelhafter loser Schotter und ein Krampf. Mit Schnappatmung kämpfen wir uns aufwärts durch loses Gestein von Zickzack zu Zickzack. Nochmal 10 Meter und nochmal 10 Meter. Um die immer gigantischer werdende Aussicht wahrzunehmen fehlt mir schlicht der Blickwinkel so vornübergebeugt mit Schnappatmung. Hier lügt das Guidebuch!!! Auf einer Felsinsel im bunten Schotter lassen wir uns nieder. Die 5000 haben wir geschafft, aber mehr muss heute nicht sein. Immerhin, vor einer Woche war das Panorama Restaurant im 26.Stock des Chemnitzer IH Kongress noch die Todeszone. Wir lassen uns fallen und keuchen glücklich in die Landschaft. Die Farben, der Weitblick. Noch nie hab ich den Salar so gesehen. Blendendes Weiß unter uns. Man hat das Gefühl über einem Wolkenmeer zu stehen aus dem einzelne Berggipfel ragen. Um uns leuchten die Steilhänge des Vulkankraters. Bremsfuß raushalten, Welt anhalten! Die Nasenspitze glücklich in die Sonne recken. Von hier kann man eine Menge Inseln im See ausmachen. Man erkennt die Grenze zwischen Wasserspiegelung und Salzfläche. Tatsächlich könnten wir fast trockenen Rades zur Insel Incahausi mit ihren riesigen Kakteen gelangen…. Gesagt – gefahren!

Wieder verschiebt die Salzfläche sämtliche Relationen. Das Gefühl für Entfernungen geht völlig verloren. Der Morgen nach der einsamen Nacht auf dem Salz beginnt mit Stimmen. Vier Argentinier wecken uns laut schnatternd, kommen von links und gehen nach rechts. Dann schleichen die ersten Touristen mit Fotoknipse um die Landzunge der Insel. Ätsch, wir sind schon da! Der tatsächliche Stand der Überschwemmungen auf dem Salar hat sich wohl rumgesprochen, Schade.

 

Wir verlassen den Salzsee Richtung Uyuni. Dort muss vor allem das Auto gewaschen werden. Wir kaufen ein paar Vorräte neu und ich übernehme Freudestrahlend und erleichtert meinen Bauchgürtel in Empfang. Es ist alles noch drin. Finderlohn ist selbstverständlich sowie eine Weiterempfehlung. Heute wollen wir nur noch bis zum Ausgangspunkt für den Gipfelversuch am Olagüe. Der Olagüe, 5865m hoch, genau auf der Grenze zu Chile gelegen, ist der aktivste Vulkan Boliviens – so stehts geschrieben. Bei diversen „Salartouren“ hatten wir seine kleine aber deutlich sichtbare Fumarole schon bewundert. Weiterhin steht geschrieben, dass man mit dem Fahrzeug bis zu den Schwefel-Minen auf 5300m ran fahren kann. Unser Gipfel erhebt sich riesig vor uns in den Himmel. Ein ganz schöner Klopper. Wir sind beeindruckt und etwas nervös, denn wie gesagt, Mikol war auch noch nie hier. Aber laut Rother Wanderverführer ist die Route eindeutig und leichter als am Tunupa. Naja, erstmal müssen wir den nicht markierten Abzweig der Zufahrtsstraße finden. Eigentlich sind Minenfahrzeuge ja weder leicht noch klein…. Der Fahrweg macht nach ersten Unsicherheiten auch einen ganz guten Eindruck. Wir spähen die Hänge hinauf. Wo mag der Weg weiter gehen? Brauchbare Karten gibts keine. Kilometer um Kilometer schraubt sich die Staubspur nach oben. Den Wolken freien Himmel haben wir am Salar de Uyuni zurückgelassen. Um uns türmen sich Wolken. Es wird grau. Wir ergehen uns in Spekulationen. Schließlich erreichen wir steinerne Ruinen. Wahrscheinlich verfallene Unterkünfte. Ein Teil liegt genau in der Einflugschneise einer riesigen Schuttrutsche weißgelb leuchtenden Schotters und schwarzer Felsbrocken. Torte meint, dies müssten die Minen sein. Aber da steht nix von Hütten oder Ruinen und der Höhenmesser der kleinen Kamera zeigt4700 Höhenmeter. Es würden also noch 600m bis zum avisierten Schlafplatz fehlen! Mikol und ich sind für weiterfahren. Die Fahrspur zieht sich in einem weiten Bogen um den Berg. Noch eine Biege und noch eine Biegung. Hinter jeder hofft man auf den ersehnten Ausblick, irgendeinen Hinweis weiter oben oder wenigstens die beschriebenen Serpentinen. Nix. Der Fahrweg ist zwar gut aber spätestens seit den Ruinen auch so schmal, dass man nicht wenden kann. Links geht’s steil nach unten. Für mich geht es also nur vorwärts. Wir meistern in Millimeterarbeit eine Schikane zwischen zwei auf die „Straße“ gestürzten Felsbrocken jeweils links am Abhang und rechts am Berg. Irre denke ich noch und ahne nicht was kommt. An einem Erdrutsch ist erstmal Schluss, Torte und Mikol wollen erstmal eine Strecke zu Fuß erkunden, wenigstens bis hinter die nächste Biege… ich bleibe am Auto, rundherum Steilhänge übersät mit losen Felsbrocken und Steinen, alles locker. Ich trau mich kaum mich zu bewegen. Mein Höhenmesser zeigt gerade mal 4800m, fehlen theoretisch immer noch viele Höhenmeter Fahrweg. Ausgerechnet jetzt beginnt es zu schneien. …und natürlich ist es schon reichlich spät. Die Männers kehren unverrichteter Dinge zurück. Es ist nichts zu sehen, was so aussieht wie in der Beschreibung. Den Erdrutsch vor uns müsste man erst mit der Schippe bearbeiten. Rückzug. Aber wie? Im letzten Tageslicht beginnen wir tatsächlich rückwärts diesen Weg zurück zu fahren. Torte weißt ein uns MiKol fährt – ich bin zum Zerreißen angespannt. Da ich weder rückwärtsfahren noch vernünftig einweisen kann (das A-Teambraucht jetzt gar nicht zu feixen!!!), verkrampfe ich schweigend auf der Rückbank. Als wir die Schikane zwischen den 2 Felsbrocken nun rückwärts austarieren ist es bereits stockdunkel. Geschafft, kurzes Aufatmen. Doch es liegen noch weitere Biegungen vor uns bis zu den Ruinen. Alle drei sind wir froh als es geschafft ist! Eine der Ruinen hat noch ein Dach und sogar eine Tür. Für uns ein echtes Refugium. Wir kochen und kriegen uns nur langsam wieder ein. Wir mutmaßen, wie wohl morgen alles im hellen aussehen wird. Mit der festen Überzeugung, es zumindest zu versuchen, kuscheln wir uns in die Schlafsäcke. Auf 4600m ist es merklich kühler.

 

Bäh, es ist vor um acht und außerdem ist der Gipfel über uns in dicke graue Wolkensuppe gehüllt. Widerwärtig!  Motivation, wo bist du? In unserer Bude kochen wir Kaffee und beschließen, zu fuß zu starten, statt eine weitere Rückwärtsodyssee zu riskieren. Nun sind es statt 500 wieder 1200 Höhenmeter. Lange Wegkilometer statt steiler Serpentinen!!! In meinem Kopf diskutieren bereits Teufelchen und Engelchen. Das Laufen und Atmen geht aber eigentlich ganz gut. Wir kommen flott voran. Aber es weht ein mehr als scharfer eiskalter Wind. Dafür ist die Gegend bekannt. Nach zwei Stunden haben wir den vermeintlichen „Parkplatz“ wohl erreicht. Wir bleiben nur kurz stehen und laufen nun in Spitzkehren weiter nach oben. Abgesehen von dem erwähnten kleinen Erdrutsch, wäre unser Jeep tatsächlich bis hierher gekommen. Hier wäre auch Platz zum Wenden. Schließlich erreichen wir die verlassenen Minen. Das Gestein zwischen den Felsen leuchtet weiß und in Gelbtönen. Abbauspuren sind erkennbar. Es riecht nach Schwefel. Ich versuch mich irgendwie vor dem Wind wegzukauern. Es ist saukalt. Nach wie vor rasen Wolken um den Gipfel und wir haben keine klare Sicht auf den Weiterweg. 5500m haben wir geschafft. Es ist aber auch schon 11.00Uhr. Wir kalkulieren nüchtern, da wir quasi die doppelte Wegstrecke leisten müssen, reicht das Zeitfenster einfach nicht mehr für den beschriebenen Weg. Das Wetter ist auch nicht verlockend. Bei mir hat schon längst der Antibergsteiger gewonnen. Obwohl ich bisher nicht mal gekeucht habe. Aber es muss doch och Spaß machen! Später erfahren wir, dass die Minen seit 20 Jahren nicht mehr in Betrieb sind. Also dafür ist die Straße wirklich gut in Schuss. Aber nun fragt man sich natürlich, wenn im Führer steht, dass man bei den Minen an den vor den Mineneingängen herumlungernden Mineros vorbei muss…. Wann war der Herr Wilken zum letzten Mal am Gipfel? War er da? Die Ausgabe ist von 2009! Egal, müssen wir eben nochmal wiederkommen!!!

 

Ich werfe den Vorschlag in die Menge, doch die letzte Nacht an der Laguna Hedionda zu verbringen. Das ist eine dieser flachen, bunt schillernden Lagunas mit Flamingos drin und Vulkanen rundrum in den endlosen Weiten des Altiplano. Weg vom Berg ist der Himmel wieder blau und die Sonne strahlt. Es geht über Steinschleuderpisten ins Nichts. Wir scheuchen ungewollt einen Nandu vor uns her, links und rechts grasen grazile Vikunjas. Sonst gibt’s nichts. Dann liegt sie vor uns, umrahmt von Vulkanen mit Schneezipfelmützen und weiß gezuckerten Hängen. Das Wasser schimmert blau, die Borax Ablagerungen leuchten grell weiß und rosa „Feuer-Schrös“ staksen durch die Szenerie. Die Ufer leuchten grün - Boofedal. Ich beschränk mich mal aufs Wesentliche, eh ich wieder ausraste vor lauter Landschaft und Natur. Wir wollen unser Zelt abseits der Fahrroute am entlegenen Ende aufbauen. Entdecken dort aber einen „Neubau“. Wir wollen lieber fragen, denn auch wenn die Gegend menschenleer ist, gehört das Land doch irgendeiner indigenen Gemeinde. Das Haus misst vielleicht 10x4m und die komplette Längsseite und eine Stirnseite sind komplett verglast!!!! Und jetzt bieten uns Omma und Oppa an, doch unsere Schlafsäcke für heute Nacht direkt in diesen exklusiven Wintergarten zu auszubreiten!!!! Ist das Irre!!! 20 Meter vom Ufer entfernt – genau vor uns liegen 2 Süßwasserzuflüsse mit zudem warmem Wasser. Also sammeln sich die Flamingos hier in Scharen. Mikol ist genauso überrascht oder besser geflasht wie wir. Er kannte das Haus noch nicht und wird in Zukunft mit seinen “Salartouren“ hier stopp machen. Denn das Ganze ist nicht etwa eine Herberge oder ein Restaurant. Es gibt zwar eine Art Kiosk, aber sonst vermieten die 2 nur Tische und Geschirr an die Agenturen und verkaufen Heißgetränke. Ab dem Nachmittag ist hier keiner mehr. Den Rest des Tages sitzen wir einfach nur da und schauen. Um sieben wird es dunkel und was dann kommt, schlägt alles. Wir liegen in unserer Luxusbude und über uns breitet sich ein so unglaublicher Sternenhimmel aus. Danke, dass wir hier sein dürfen!!!!!

Jetzt mag ich nicht mehr, denn während ich hier in Verzückung schwelge, sieht die bolivianische Realität in unserem Reiseplan leider ganz anders aus. Um zu Hause zu beruhigen, hatte ich heute Nachmittag schon mal eine kurze Beruhigungsmail abgeschickt.  Jetzt hat mir Torte gerade ein neues Video gezeigt – dazu weiter unten mehr…. Wer Lust hat, kann ja noch weiterlesen, war beim Schreiben etwas in Eile…

 

Eigentlich sollten wir jetzt ja auch schon längst in Rurre sein. Heute Morgen sollten wir mit Cachis Auto starten. Freitagabend kam eine WhatsApp von Cachi, dass die Straße ins Tiefland gesperrt ist, ganz offiziell vom Autobahnministerium. Mhm, da die Hoffnung zuletzt stirbt, waren wir erstmal skeptisch und haben nach Infos gesucht. Zwischen Coroico und Caranavi und hinter Caranavi soll es schwere Erdrutsche gegeben haben. Weiter unten soll der Regen auch Brücken weggerissen haben. Nach und nach kamen die ersten Handyvideos in die Nachrichten. Man sieht abgestürzte Hänge, Autos, hört von Verschütteten. Dann kommt eine Aufnahme, wo man sieht, wie der komplette Berg runterkommt und ein paar Leute gerade noch so wegrennen. Unter der Lawine vor Caranavi, die die schlimmste ist, vermutet man sechs Autos und einen Bus. Später sieht man Bilder von dem halb ausgegrabenen Bus. Ständig versuchen wir Neuigkeiten zu erfahren, fahren zum Busterminal nach Villa Fatima. Dort weiß man nur eins, die Straße ist nach wie vor gesperrt. Cachi hat im Ministerium angerufen. Dort ist man sicher, dass man die Erdrutsche hinter Caranavi gut in den Griff bekommt. Aber vor Caranavi wollen sie erst sicher gehen, dass wirklich kein verschüttetes Fahrzeug mehr unter den Erdmassen liegt bzw., Menschen. Erst dann werden sie schweres Gerät zur Reglung der Straße einsetzen... So schnell wird alles anders. Ohne Cachi wären wir freitags selber auf der Straße unterwegs gewesen mit einem Sammeltaxi nach Rurre. Schon ein doofer Gedanke! Inzwischen haben wir auch Bilder aus Rurre erhalten. Der Beni ist über die Ufer getreten und es gilt Alarmstufe rot. Trotzdem wollen wir so schnell wie möglich nach Rurre. Dort können wir wenigstens was tun! Aber keine Sorge, wir fahren, wenn mit Cachi oder fliegen. Man hat uns heute Nachmittag in Villa Fatima auf dem Terminal aber auch schon wieder eine Fahrt nach Caranavi angeboten. Man müsste eben nur das Stück über den Erdrutsch (und über die Toten?!?) laufen. Das machen wir mal nicht!

 

Leider haben es aber doch viele versucht. Torte hat mir gerade ein Video gezeigt wo man sieht wie eine Menschenschlange den letzten teil des schwersten Erdrutsches von gestern quert, dann beginnen alle zu schreien und man sieht wie sich eine weitere Lawine löst. Manche schaffen es noch, andere…. Wie viele waren noch in der Mitte…

Ich muss vor allem wieder an die Rettungskräfte und freiwilligen Helfer denken, die nun wieder ihr Leben riskieren werden um Verschüttete bergen zu können, statt abzuwarten, bis der Hang sich beruhigt hat.

 

Wir werden fliegen.