Lost in Transit

von Frido Fröhlich

Omni-impotente Nörgler und Kleingeister werden mir schulmeisternd vorwerfen, ich hätte die vergangenen 3 Monate sinnlos vergeudet und meine wertvolle zeit verträumt. "Na und?" erwidere ich hier ein wenig schnippig. Was sollte ich denn so wichtiges verpasst haben? Den Winter? Diese angeblichen besinnlichen Wonnemonate? Was stand denn schon im Februar auf der Agenda? Selbstverständlich habe ich meine Familie und besonders meine Freunde vermisst & konnte mir nur zu gut ausmalen, wie es gewesen wäre wie man wie üblich um die Häuser zieht. Aber echte Freunde bleiben, egal wo man sich befindet und egal wie lange man sich nicht sehen konnte. Trotz der Sehnsucht nach euch Chaoten, macht die Rückkehr mehr Angst als der Aufbruch.

Mit handgemachten Reggeaklängen bei unserer Ankunft am überschaubaren Flughafen der Cayman Inseln und einem Rum-Punsch als Begrüßungsgetränk stand unserem Aufenthalt in Cuba eigentlich nichts mehr im Wege. Wäre da nich die erste Hürde der Einreise. Durch das Handelsembargo durften wir als Deutsche nicht von den Vereinigten Staaten direkt aus ins sozialistische Kuba einreisen, weshalb uns der kleine Umweg über das britische Steuerparadies nicht erspart blieb. Nach 2 Stunden Wartezeit in der Gepäckhalle auf unsere Rucksäcke können wir das erste Mal Aufatmen. Alles ist da! Standesgemäß werden wir von einem tiefroten Chevrolet abgeholt und zu unserer Unterkunft gebracht. Das ganze Stadtbild Havannas zeugt von historischen Zeugnissen, Gebäuden an denen der Zahn der Zeit nagt, über prunkvolle Kolinialarchitektur bis hin zu Kultstätten der Revolution. Che Guevara & Fidel Castro sind überall präsent. Neben „Sozialismus oder Tod“ ragen überall Parolen riesig gemalt an Wänden und dazwischen Oldtimer so weit das Auge reicht. Cadillacs, Chevrolets, Cabriolets, alte Fiats und Fords in den buntesten Farben. Original Kubanischer Rum und handgefertigte Zigarren gehören hier einfach zum lauten und auf den Straßen stattfindenden Leben dazu. Männer sitzen vor ihren Häusern bei einer Runde Domino, Haare werden direkt auf dem Fußweg rasiert und überall wird gesungen & die Hüfte geschwungen. Die Wäsche trocknet auf dem Balkon der fast zusammenfallenden Wohnungen. Man fühlt sich wie ein anderes Jahrhundert zurückversetzt. Trotz der Mangelwirtschaft herrscht überall ausgelassene Stimmung. Jeder macht das beste aus seinem Schicksal & verbreitet gute Laune. Im vielen Läden gibt es kaum mehr als Öl & Nudeln. Die DDR lässt grüßen & zum ersten Mal kann ich auch nachvollziehen was es heißen musste vor der Wende im Osten zu leben. Öffentliche Verkehrsmittel sind so rar, dass wirkliche hunderte Einheimische an den Bushaltestellen lungern und warten. Alle müssen immer warten, sei es eine Mitnahmemöglichkeit, irgendein Produkt oder eine Dienstleistung. "Mas tiempo que vida" (Mehr Zeit als Leben) - spaßen viele Kubaner über ihre ausweglose Situation. Nichts desto trotz ist Kuba das fortschrittlichste Dritte Weltland und hat ein unglaublich progressives Bildungs- und Gesundheitssytem, an denen sich viele andere Staaten ein Beispiel drannehmen können. Kostenlose Behandlungen reichen bis hin zu hochspezialisierten Operationen, freier Zugang zu Bildung vom Kindergarten bis hin zum Universitätsabschluss, die gesetzliche Höchstmiete liegt bei maximal 10 % des Einkommens, geringe Wasser-, Strom- und Gaspreise, sowie günstige Transport & Telefonkosten. Internet gibt´s übrigens nirgends. Jediglich für 5 $ die Stunde kan man sich eine Stunde an wenigen Plätzen bei schlechter Verbindung einloggen. Für die Inselbewohner ein unbezahlbarer Luxus. Aber auch dadurch findet Kommunikation, nicht in sozialen Netzwerken statt, sondern einfach überall, offen und mit jedem. Bei 15 $ Durchschnittseinkommen pro Monat sind auch die Lebenserhaltungskosten super niedrig, zu dem hilft der Staat mit kostenlosten bzw. stark subventionierten Leistungen - Bezugskarten für Lebensmittel jeden Monat und ein Rentensystem. Um den Touristenströmen und den gemeinen All Inclusive Pauschalreisenden zu entkommen reisen wir gen Osten. In Las Terazas machen uns die strengen Richtlinien einen Strich durch die Rechnung. Keine einzige Wanderung darf ohne Führer unternommen werden & da reden wir von einer 4 km langen Strecke. Fassungslos machen wir zu dem Highlight dieser Region - ein 25 Meter hoher Wasserfall mit glasklarem Wasserbecken zum Baden. Die Bilder sind unglaublich verlockend, aber nachdem wir den Eintritt bereits zahlten, kann ich meinen Augen nicht trauen. Kein Tropfen Wasser fließt hier runter. Alles ausgetrocknet. Erneuter Reinfall... Leicht geschockt, aber guter Dinge beschließen wir erstmal einen Tag an einem Strand der Karibik zu verbringen. Mit einer kleinen Fähre setzen wir zu einer Cayo über, die allen Vorstellungen und Fantasien vom Paradies gerecht werden. Weißer Sand rinnt durch meine Fußzehen und das kristallklare Wasser schimmert nur so in allen möglichen Blautönen. Palmen tuen ihr übriges für das traumhafte Bild einer einsamen Playa…


Im Naturschutzgebiet des Viñalestal wollen wir nochmal aktiv werden und die grüne Seite Kubas kennen lernen. Wiedermal ist es unglaublich schwierig abseits touristischer Pfade entlang zu wandern & wir müssen uns mehr oder weniger dem Massentourismus geschlagen geben. Leider. Trotzdem umwandern wir die wunderschöne Hügellandschaft, bekommen Einblicke in die Tabakproduktion, in die Kunst des Zigarrendrehens (160 Arbeitsschritte) & besuchen ohne große Aufregung das zweitgrößte Höhlensystem ganz Lateinamerikas. An den Traumstränden der Karibikinsel lassen wir die letzten Tage ausklingen und tauchen in die magische Unterwasserwelt dieser ab. Zum Abschied gönnen wir und nochmals etwas von den Schokoladenseiten Cubas - Zigarren hecho en mano, Cuba Libre, Mojito und eine Livecoverband des BuenaVistaSocialClubs. Fantastisch!



Von einer langen Reise zurück zu kehren kommt einer Art Umbruch gleich. Der Alltag. Die Rückkehr in diesen. An den Erlebnissen der Reise zehren legt sich schneller als einem lieb ist. Leider... Gerade die gesammelten Erfahrungen machen die Rückkehr in die gewohnte Umgebung schwierig. Man weiß noch zu genau wie gelassen & wundervoll das Leben sein kann. In erster Linie möchte man doch sein Leben genießen und Glück verspüren. Was braucht man schon zum Glücklichsein? Ein neues Auto? Ein neues Handy? Einen neuen Fernseher? In den letzten 3 Monaten war in meinem Rucksack nur Platz für grundlegende, wichtige Dinge. So abwägig es auch klingen mag. Man kann sich gar nicht vorstellen wie viel einfacher das Leben ist, wenn der eigene Besitz überschaubar bleibt und wie viel weniger Probleme man hat, wenn man sich nur darum kümmern muss, genügend Essen und Trinken für den Tag zu haben. Trotzdem kann ich gar nicht oft genug sagen wie sehr ich mich freue euch alle wieder um mich rum zu haben. Auch gutes Bier, Brot, Hausmannskost und Kartoffelchips kann ich kaum noch erwarten. Ich freue mich auf so vieles. Einfach mal Leitungswasser trinken, auf die Couch fläzen, netflixen oder ein heißes Bad nehmen. So schnell vergehen 90 Tage, ab morgen bin ich wieder im Lande, ich freue mich super auf euch Banausen!♡

 

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