Rurrenabaque, Februar 2014

Der Name scheint mal wieder Programm zu sein: Vor eineinhalb Wochen schaukelten wir noch in der Hängematte auf einem Amazonasdampfer bei brennender Sonne und dröhnenden Sambarythmen. Wir hatten einen Plan und waren optimistisch. In Manaus erreichten uns die ersten Hiobsbotschaften von schweren Überschwemmungen und Unmengen von Erdrutschen im Departemento Beni. Schlammlawinen forderten auch in Rurrenabaque Tote. Häuser von Freunden standen unter Wasser. Das Wasser zumindest, kehrte in den Beni zurück, der Fluss selbst blieb weiter unbefahrbar. Wir blieben optimistisch, reisten wegen unpassierbarer oder nicht mehr existenter Straßen mit dem Flugzeug statt dem Bus weiter nach Rurrenabaque und hatten immer noch einen Plan.

 

Gerade eben steigt das Wasser zum 2. Mal in drei Tagen. Das ist die dritte schwere Überschwemmung für die Menschen am Beni innerhalb von 10 TAGEN!!! Auch diese wird schlimmer als ihr Vorgänger. Dies ist das Einzige, was sicher ist! Was uns hier wirklich bevorsteht weiß keiner. Pegelstandsprognosen  – an der Elbe sogar grenzüberschreitend erhältlich – gibt es in Bolivien nicht. Die Trinkwasserleitung hat ein Erdrutsch zerstört – 3 Wochen dauern die Reparaturarbeiten bereits. Deshalb ist der Dauerregen ein Segen – Wassermangel herrscht nicht.  Ein anderer Erdrutsch hat Strommasten samt Fundamenten weit weg von hier weg gerissen – bei dem Regen können keine neuen Fundamente gegossen werden. 7 von 9 Bundesstaaten Boliviens haben den Notstand ausrufen müssen. Straßen existieren dort quasi nicht mehr. Ein Gebiet, größer als Deutschland, ist überflutet. Seit mehr als 2 Wochen leben 60.000 Familien mit ihrem gesamten Hausrat auf den Straßen in Zelten oder unter Plastikplanen -  es gibt keine Zelte mehr.

 

 …und das Wasser steigt!

 

Carlos, der Chef der Tierstation, hat Piqui und seine Familie gerade noch rechtzeitig vor der ersten Überflutung  von der Station evakuieren können. Rechtzeitig heißt, sie konnten zum Teil nur schwimmend die Straße erreichen. Zum Glück waren alle tierischen Bewohner soweit entwöhnt, dass sie sich selbst versorgen können. Wir wissen, dass auch ein Teil der Gebäude und Gehege unter Wasser stand. Wie groß der Schaden auf dem Stationsgelände und im Schutzwald am Ende sein wird,  ist noch lange nicht absehbar. Wann wir die ersten medizinischen Versorgungsfahrten riskieren können und was uns in den Dörfern am Oberlauf erwartet ist im Moment unkalkulierbar.

 

 …und das Wasser steigt immer schneller.

 

... und wie immer: Je schlimmer die Situation, umso enger rückt man zusammen. Die Kinder fischen mit Moskitonetzen in den übervollen Abwassergräben und haben einen Heidenspaß. Eis- und Getränkeverkäufer versorgen mit mobilen Wägelchen die Schaulustigen und all die Schwerstarbeiter, die versuchen die Boote vor den Fluten zu sichern, haben schon wieder den ersten Schluck vom 96%tigen Alkohol  in den Adern…

Aber dieses Mal sollte sich auch das ändern. Nur wenige Tage später wurde das Department Beni von einer weiteren noch gewaltigeren Flutwelle überrollt. Fast ausnahmslos alle Dörfer am Rio Beni mussten verlassen werden. Einheimische lebten zum Teil Wochen auf kleinen Inseln oder Bäumen in den Wassermassen.  Man kann sich dieses Elend der Menschen nur schwer vorstellen, wenn man nicht unmittelbar dabei gewesen ist. Ein Gebiet der Größe  Ostdeutschlands steht nach wie vor zwei Meter hoch im Wasser,  da das Wasser  nur sehr langsam aus dem Pampagebiet abfließen kann. Zurück bleibt meterdicker fester Schlamm, der - und das ist wohl das entscheidende Problem - die komplette Ernte zerstört hat.

 

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